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Mit Kindern über Tod reden

  • Autorenbild: Jula Niemann
    Jula Niemann
  • 3. Okt. 2024
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 16. Apr.

oder: Wie sage ich meinem Kind, dass Opa gestorben ist?



Es ist eine meiner frühesten Erinnerungen. Ich muss vielleicht so drei, vier Jahre alt gewesen sein. Ich laufe mit meinen Eltern durch eine Straße, die ich kenne. Hier wohnt doch Tante Lisbeth! Ich mag Tante Lisbeth. Sie hat immer diese Kiste mit Spielzeug für mich im Schrank, die sie rausholt, wenn wir zu Besuch kommen. 

„Können wir zu Tante Lisbeth hochgehen?“, frage ich. Mein Vater zögert, sagt dann „Nein, das geht nicht. Tante Lisbeth ist nicht da.“ „Wo ist sie denn?“, frage ich. „Sie ist verreist“, ist seine kurze Antwort. „Ah, aber dann können wir sie besuchen, wenn sie wieder da ist!“ „Nein. Das geht nicht. Sie kommt nicht wieder.“ Ich bin kurz ratlos, dann fällt mir ein: „Aber dann können wir doch zu ihr hinfahren und sie dort besuchen!“ Ich weiß, meine eine Oma, die wohnt auch weit weg, und manchmal steigen wir in den Zug und besuchen sie. Mein Vater sagt: „Das geht nicht. Das ist ganz ganz weit weg.“ Ich spüre, irgendwas ist komisch, ich verstehe es nicht richtig - aber ich spüre auch, dass meine Eltern nicht weiter drüber sprechen wollen. Und dass ich nicht weiter nachfragen sollte. Ich bin ein bisschen traurig, aber da die Großen so tun, als gäbe es keinen Grund für Traurigkeit, behalte ich das für mich.


 

Mit Kindern über Tod und Sterben sprechen - das ist für viele Erwachsene mit Scheu verbunden. Muten wir den Kleinen damit nicht zu viel zu? Ab wann dürfen sie wissen, dass Leben irgendwann zu Ende geht? Macht ihnen das nicht zu viel Angst? Können wir ihnen die Tränen, die vielleicht kommen, nicht ersparen? Sollten wir sie nicht beschützen vor dem Schweren im Leben, so lange es geht?


Manchmal fragen mich Angehörige, ob und wie sie Kindern in der Familie überhaupt davon erzählen sollen, dass zum Beispiel der Opa oder die Oma gestorben ist. Ob man bei der Trauerfeier die Kinder nicht besser zuhause lassen sollte, ob das nicht zu viel für sie wäre. Meine Erfahrung ist: Kinder kommen sehr gut damit zurecht, mit einbezogen zu werden in den Abschied! Sehr junge Kinder begreifen zwar die Tatsache des Todes noch nicht, trotzdem ist es wichtig, auch ihnen schon ehrlich zu sagen, dass der liebe Mensch gestorben ist. Ihnen zu erklären, warum die Erwachsenen grad traurig sind. Kinder spüren das sowieso. Wenn darüber gesprochen werden darf, sie Fragen stellen dürfen, dann entwickeln sie weniger Ängste, als wenn sie - wenn auch in bester Absicht - ausgeschlossen werden. 


Und: Es sterben ja nicht nur alte Menschen, nicht nur Opa oder Oma. Es kann auch ein Elternteil oder Geschwister, ein Schulfreund oder auch ein Haustier sein, dass das Thema Tod für ein Kind zum ersten Mal zu einer schmerzlichen Tatsache macht. Je näher die Beziehung im Alltag, um so wichtiger ist es, das Kind in allen Fragen und Gefühlen, die damit verbunden sind, zu begleiten. Offen zu sein und das Kind mit einzubeziehen in die Abschiednahme. 



Wie sag ich´s meinem Kinde?

Ganz wichtig: Benennen Sie klar die Tatsache des Todes, benutzen Sie keine Umschreibungen. Nein, Opa ist nicht „eingeschlafen“ (oder verreist) - er ist gestorben. Erklären Sie kindgerecht und sachlich, was das heißt: Das Herz schlägt nicht mehr. Der Mensch atmet nicht mehr. Der Körper wird kalt. Haben Sie keine Angst davor, wenn Sie nicht gleich die richtigen Worte finden oder auf Nachfragen keine „richtige“ Antwort geben können. Der Tod ist einfach eine besondere Grenze und bringt Fragen mit sich, wo wir alle nicht die Antwort „wissen“ können. Ein ehrliches „Ich weiß es nicht“ oder ein gemeinsam suchender Gedankenaustausch auf Fragen nach dem „Warum?“ oder „Was kommt danach?“ sind immer besser als ausweichende Beschönigungen oder ein schnelles Ablenken aus eigener Hilflosigkeit. Das Kind fühlt sich ernstgenommen und ganz wichtig: Es entwickelt keine abenteuerlichen Vorstellungen oder Ängste. Und es erlebt: Ich bin nicht allein. Menschen können sich beistehen in schwierigen Gefühlen. Man kann sich in den Arm nehmen, zusammen weinen, verbunden bleiben.


Den toten Menschen noch einmal besuchen?

Wenn Sie selbst Ihre/n Verstorbene/n noch einmal aufgebahrt besuchen, dann nehmen Sie die Kinder ruhig mit. Lassen Sie sie selbst entscheiden, ob sie mit in den Raum kommen wollen. Oft sind Kinder da unbefangener als die Großen. Falls es doch Ängste gibt - sprechen Sie darüber. Es kann auch Kindern im wahrsten Sinne des Wortes helfen zu „begreifen“, den oder die Tote/n noch einmal zu sehen, vielleicht zu berühren. Das Kind kann auch etwas mit auf die Reise geben - ein selbst gemaltes Bild oder ein Foto in den Sarg legen. Oder mit einbezogen werden, den Sarg oder später die Urne zu bemalen. Gute Bestattungsunternehmen machen da heute zum Glück vieles möglich!


Kinder mitnehmen auf die Trauerfeier?

Wie würden Sie sich fühlen, wenn jemand Ihnen sagen würde: Ein guter Freund ist gestorben und alle gehen zur Abschiedsfeier, aber Sie dürfen nicht dabei sein? Eben. Ausgeschlossen zu werden, kann sich gemein anfühlen. Ja, aber ist es nicht nur zum Besten des Kindes? Wird es nicht Angst bekommen, wenn alle Großen weinen? Nein, nicht wenn man ihm ruhig erklärt, warum. Und dass es okay ist zu weinen, wenn man traurig ist. - Letzten Endes lässt es sich natürlich nur individuell entscheiden, ob Sie Ihr Kind mitnehmen. Eine wichtige Frage dabei ist, wer das Kind begleitet. Wenn Sie selber als Elternteil emotional sehr betroffen sind, kann es helfen, einen weiteren Erwachsenen zu bitten, mit für Ihr Kind da zu sein. Überlegen Sie auch sonst, was Ihrem Kind in der Situation Beistand geben könnte. Vielleicht darf es sein Lieblingskuscheltier mit dabei haben? Ein gutes Gefühl ist es auch, wenn das Kind aktiv etwas tun kann: Es könnte zum Beispiel eine selbst ausgesuchte Kerze mitbringen und anzünden oder eine eigene Blume ablegen. Oder Sie backen vorher die Lieblingskekse zusammen und das Kind darf einen mit ins Grab geben? Besprechen Sie auch mit dem Redner oder der Rednerin, wie das Kind einbezogen werden kann. Vielleicht können in der Rede speziell für das Kind besondere gemeinsame Erinnerungen benannt werden?



Tod und Trauer sind leider immer noch ein Stück weit Tabuthemen in unserer Gesellschaft. Die meisten von uns haben nicht wirklich gut gelernt, damit umzugehen. Natürlich wünschen wir uns alle für unsere Kinder eine möglichst glückliche, unbeschwerte Kindheit. Wir sind in unserer Gesellschaft so geprägt, dass alle „negativen“ Gefühle möglichst zu vermeiden sind. Aber Abschiede, Trauer, Tränen - das gehört eben zu jedem Leben dazu. Und je früher Kinder lernen, dass auch schwere Gefühle da sein dürfen, umso besser können sie lernen, damit umzugehen. 


 

Angehörige berichten mir im Vorgespräch: Als der kleine Jonas (x) im Kindergarten im Morgenkreis davon erzählt hat, dass sein Opa gestorben ist, da hat er es ganz von sich aus so erklärt: „Opa ist jetzt der hellste Stern am Himmel. Er schaut von da oben auf uns runter und passt auf uns auf!“ Dieses Bild hatte ihm niemand so gesagt, darauf ist er ganz allein gekommen. Das Bild vom Stern habe ich dann in der Trauerrede aufgegriffen und allen vier Enkeln einen kleinen Holzstern mitgegeben, als greifbares Erinnerungssymbol für die Verbindung mit dem Opa. Wie schön, wenn Kinder auf diese Weise einbezogen sind und mit ihrem ganz eigenen Blick auf die Dinge auch den Abschiedsweg der Großen bereichern können!

 
 
 

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